Antonio Loprieno wünscht sich eine gemeinsame Rektorenkonferenz mit Unis, FHs und pädagogischen Hochschulen nach Schweizer Vorbild.

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Wien – Ein gutes halbes Jahr ist Antonio Loprieno nun als Vorsitzender des Wissenschaftsrats im Amt – das österreichische Hochschulsystem kennt er aber bereits aus seiner Zeit als Mitglied des Expertenteams zur Erarbeitung eines Hochschulplans. Seine sechsjährige Amtszeit will der ehemalige Rektor der Universität Basel dafür nützen, Unis, Privatunis und Fachhochschulen stärker zusammenzubringen.

STANDARD: Sie kennen das österreichische Hochschulsystem schon länger. Hat es trotzdem etwas gegeben, das Sie seit Amtsantritt überrascht hat?

Loprieno: Ich dachte immer, die Schweiz sei das Land des Konsenses, aber ich habe gemerkt, dass Österreich das genauso ist. Mit einem kleinen Unterschied: In der Schweiz signalisiert man am Anfang Konsens und wird im Laufe der Verhandlungen immer härter. Hier beginnen Diskussionen oft mit dem Klarstellen der eigenen Position. Es gibt die Tendenz, vor allem im Hochschulbereich, dass die Diskussion schnell ins Grundsätzliche geht. Ich komme eher aus einer am Pragmatismus orientierten Tradition.

STANDARD: Das macht Diskussionen mit den verschiedenen Akteuren also zur Herausforderung?

Loprieno: In der österreichischen Hochschullandschaft gibt es aktuell die – nachvollziehbare – Erwartung, dass alle Akteure von einem Prozess profitieren. Aber weil die Hochschullandschaft vielfältig ist, verlangt das ein hohes Maß an Abstimmung. Dabei gibt es zusätzlich die Tendenz, Ausdifferenzierungen zu marginalisieren. Die Trennung zwischen den Hochschulsektoren ist in Österreich viel stärker, als ich es gewohnt bin. Die Spezifität zwischen Universität und Fachhochschule wird hier regelrecht thematisiert von der jeweiligen Seite.

STANDARD: Universitäten und Fachhochschulen sehen sich häufig als Konkurrenten an, obwohl sie ganz andere Ziele verfolgen.

Loprieno: Korrekt. Die Zukunft der Hochschulen wird aber sowieso in Richtung von Clustern gehen, anstatt Hochschultypen per se. In Zukunft werden die großen Fragen nicht pauschal gelöst werden – für alle Unis oder für alle FHs -, sondern die institutionell basierte Interaktion wird wichtiger. Eines meiner Ziele ist es jedenfalls, die Fronten aufzuweichen. Es ist höchste Zeit für einen Gesamtblick auf die Entwicklung des Hochschulwesens – wir sollten Differenzen weniger zelebrieren. Das heißt auch, die sogenannten Privatunis mehr einzubeziehen.

STANDARD: Was schlagen Sie vor?

Loprieno: In der Schweiz haben wir sehr gute Erfahrungen mit einer einheitlichen Rektorenkonferenz gemacht: Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen treffen sich dort. So lernt man die Probleme der anderen kennen und kann gemeinsam nach Lösungen suchen. Die zweite Möglichkeit ist, guten Gebrauch zu machen vom Projekt "Zukunft Hochschule" des Ministeriums. Wir Akteure sollten diese Chance ergreifen, um wieder stärker zusammenzuarbeiten.

STANDARD: Wie hoch ist die Bereitschaft zu mehr Dialog?

Loprieno: Ich beobachte, dass auf operativer Ebene durchaus Dialog stattfindet: Auf Landesebene gibt es eine gute Zusammenarbeit und regelrecht etablierte Strukturen. Auf der Ebene der Vertretung sieht es aber anders aus. Interessanterweise ist es in der Schweiz genau umgekehrt.

STANDARD: Warum funktioniert die Zusammenarbeit noch nicht überall reibungslos?

Loprieno: Das ist eine für mich als Kulturwissenschafter besonders interessante Frage. Die Unis haben eine sehr lange und glorreiche Tradition. Die Fachhochschulen haben objektiven Erfolg, aber keine Geschichte. In gewisser Weise haben die Fachhochschulen eine geringere Sichtbarkeit, als es ihr Erfolg rechtfertigen würde. Unis haben noch immer die Deutungshoheit. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion über Studiengebühren – niemand stellt hier infrage, dass es an FHs Beiträge zu zahlen gibt. Es ist, als würde man sich dafür nicht primär interessieren. Die kulturelle Etabliertheit fehlt den Fachhochschulen.

STANDARD: Der Wissenschaftsrat empfiehlt einen Optimierungs- und Profilschärfungsprozess. Sie sprechen vom Trend zu Clustern. Wie sieht das genau aus?

Loprieno: Das ist eigentlich die Quadratur des Kreises: Einerseits gibt es ein fachliches Angebot mit einem Minimum an Gemeinsamkeiten, sodass man in Graz zum Beispiel nicht etwas vollkommen anderes lernt als in Wien. Auf der anderen Seite geht es um eine Differenzierung der Hochschulen. Sowohl in der Lehre als auch in der Forschung soll dadurch eine Form von Komplementarität existieren, als auch eine Form von Spezifität auf institutioneller Ebene. Denn das ist der Gang der Dinge: Die Entwicklung geht immer mehr in Richtung Differenzierung.

STANDARD: Abgesehen von fehlendem Dialog und mangelnder Zusammenarbeit. Wo liegen konkrete Probleme in der heimischen Hochschullandschaft?

Loprieno: Die Österreicher jammern ja gerne, aber so schlimm ist es nicht. Ein sehr großes Problem sind die unterschiedlichen Zugangsregelungen von Unis und Fachhochschulen. Man kann nicht eine produktive Dialektik anstreben, wenn die Zugänge derart unterschiedlich sind. Aber es ist nicht an mir, hier etwas vorzuschreiben. (Lara Hagen, 18.6.2016)